Interdisziplinärer Vernetzungsanlass zu Inklusiv Wohnen
Am Anlass «Stand der Subjektfinanzierung in Bezug auf selbstbestimmtes Wohnen» nahmen ca. 50 Personen aus der gesamten Deutschschweiz teil. Die diverse Gruppe setzte sich unter anderem zusammen aus Menschen aus Wohnprojekten, Institutionen, der Verwaltung, Politik, Wissenschaft, Immobilienbranche und aus Dachverbänden. Die verschiedenen Perspektiven und Expertisen bereicherten die Diskussionen in den Workshops und im Apéro und zeigten auf der einen Seite deutlich, wie komplex die Herausforderungen sind, machten auf der anderen Seite aber auch Mut, dass sie behoben werden können, wenn alle an einem Strang ziehen.
Der Anlass begann mit zwei Inputs von Giulia Brogini vom EBGB und Patric Scheurer vom GSI zur politischen und verwaltungstechnischen Situation im Zusammenhang mit Inklusion und Wohnen. Anschliessend führte Annalena Pfammatter von Blindspot ein kurzes Interview mit einem Mitbewohner mit und einem Mitbewohner ohne Beeinträchtigung, um einen Einblick in die inklusiven WGs von Blindspot zu geben, bevor es in die Workshops ging. Nach der Präsentation der Workshopdiskussionen schloss sich Nationalrat und Vorstandsmitglied von Blindspot Islam Alijaj den Ergebnissen in einer mitreissen Rede an und sprach darüber, was sich ändern muss, bevor Jonas Staub mit einem Input zur notwendigen «Normalisierung» das Programm abschloss.
Die von Blindspot moderierten Workshops adressierten jeweils drei Aspekte:
- «Herausforderungen» – Welche Faktoren hemmen die Inklusion und Selbstbestimmung im Wohnbereich?
- «Erfahrungen und Erkenntnisse» – Welche positiven und negativen Erfahrungen haben wir bereits gesammelt?
- «Forderungen» – Was muss sich ändern?
Es folgt eine Auswahl der besonders häufig genannten Aspekte:
Herausforderungen
- Finanzierung & Leistungen: Fehlende finanzielle Unterstützung (z. B. Assistenzfinanzierung und Subjektfinanzierung), unzureichende Förderung für Innovationen, ambulante Angebote sowie Übergänge. Finanzierungssysteme sind wenig flexibel, komplex, föderal und ungleich.
- Gesellschaftliche Aspekte: Vorurteile, fehlende Offenheit und mangelnde Sensibilisierung bei Vermieter:innen, Nachbarinnen & Nachbarn sowie in der Gesellschaft. Herausforderungen im Ablösungsprozess von Eltern.
- Wissensprobleme: Viele Menschen mit Beeinträchtigung wissen nichts von den Wohnoptionen, die es gibt oder geben sollte. Eine teilweise in institutionellen Settings «erlernte Bedürfnislosigkeit» verstärkt die Herausforderung.
- Wohnraum: Schwierigkeit, bezahlbaren und inklusiven Wohnraum für Menschen mit Beeinträchtigung oder inklusive Wohnprojekte zu finden.
- Strukturelle Barrieren: Schwierigkeiten durch Kantonswechsel, inkompatible Systeme und bürokratische Hürden (z. B. EL-Mechanismen, Administration).
- Fachliche und institutionelle Probleme: Mangel an qualifiziertem Personal, fehlendes Wissen bei Behörden, hohe Belastung der Beistandschaften und unzureichende Beratung.
Erfahrungen und Erkenntnisse
- Mikroebene (Individuen): Menschen mit Beeinträchtigung streben Selbstständigkeit und inklusives Wohnen an, aber oft fehlen ihnen das Wissen, die Ressourcen oder die Unterstützung. Eltern/Angehörige haben teils positive, teils negative Erfahrungen und Einflüsse auf Übergänge. Sie können sowohl fördern und unterstützen als auch hemmen, insbesondere wenn Menschen mit Beeinträchtigung zu wenig zugetraut wird.
- Meso (Gruppenebene): Begleitung, Netzwerken und gegenseitige Unterstützung werden geschätzt. Es mangelt jedoch an Rückfallnetzen und durchlässigen Angeboten, die es erlauben, etwas einfach auszuprobieren.
- Makro (Gesellschaft): Institutionelle Strukturen, fehlende Kommunikation und mangelndes Know-how bei Fachpersonen behindern die Inklusion. Die Subjektfinanzierung wird als ein zentraler Hebel betrachtet.
Forderungen
Finanzielle Unterstützung und Systeme:
- Vereinfachung der Finanzierungssysteme (z. B. Subjektfinanzierung, Assistenzfinanzierung)
- Entwicklung von Fördermechanismen für ambulante und inklusive Wohnformen
- Förderung von Probewohnen und Übergangsmöglichkeiten
Wohnraum und Inklusion
- Ausbau von barrierefreien, bezahlbaren Wohnräumen
- Unterstützung auch für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf (z. B. 24/7-Betreuung)
- Förderung von inklusiven WGs und Mehrgenerationenwohnen
Gesellschaftliche Veränderung
- Sensibilisierung von Vermieter:innen, Nachbarinnen & Nachbarn sowie Fachpersonen
- Verbreitung von Best-Practice-Beispielen und mehr Öffentlichkeitsarbeit
Strukturelle Verbesserungen:
- Reduktion von Bürokratie, z. B. durch Auslagerung der Administration
- Förderung von sozialraumorientierten Strukturen und neuen Berufsethiken