Wissen zu Finanzen ist Voraussetzung dafür, dass Menschen selbstbestimmt über das eigene Geld verfügen können – mangelndes Wissen über Geld exkludiert. Haben Menschen zum Beispiel keine Vorstellung davon, wie hoch das eigene Budget ist, sind sie sich nicht bewusst, dass er oder sie Geld hätte, um in der Beiz mit Freund:innen etwas zu essen oder zu verreisen. Gleichzeitig sind mangelnde Kompetenzen im Umgang mit Geld ein Risikofaktor für Schulden, die ebenfalls zu sozialer Isolation führen können. Gemäss einer Studie der Schufa zu finanzieller Teilhabe von Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung haben nur 40% der Befragten den Eindruck, genügend Wissen über Geld vermittelt bekommen zu haben. 85% der Befragten geben an, dass die Eltern die wichtigste Wissensquelle zum Thema Geld sind. Der Zugang zu professioneller finanzieller Beratung, zum Beispiel bei einer Bank, ist für Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung hochschwellig, da Banken wenig Erfahrung haben in der einfachen Kommunikation. Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung können oft nicht selbst über ihre Finanzen bestimmen – je enger die Betreuungsstruktur, desto grösser die Abhängigkeit von Familie, Beiständ:innen oder Betreuer:innen.
Zielgruppe der Geld Workshops von Blindspot sind Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung, die in den Gastronomiebetrieben Provisorium46, Fabrique28, Lorraine22 sowie dem inklusiven Foodtruck Copine76 von Blindspot arbeiten oder in den inklusiven WGs wohnen. Im ersten Teil der Workshopreihe war das Ziel, dass die Teilnehmenden eine eigene Haltung zu Geld entwickeln. In Gruppen wurde rege diskutiert: «Welche Bedeutung hat Geld für dich? Für was gibst du viel Geld aus und auf was sparst du hin?» Der Austausch hat ergeben, dass innerhalb der Gruppen das Wissen zum Thema Geld sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Nach jedem Workshop haben sich die Teilnehmenden deshalb individuelle Ziele gesteckt, die bis zum folgenden Workshop erarbeitet wurden. Die Ziele reichten von «erfragen, wie viel ich verdiene» bis hin zu «eine 3. Säule einrichten». Für etwaige Unterstützung bei der Erarbeitung wurden die Teilnehmenden durch Coaches von Blindspot dazu ermutigt, Ressourcen in ihrem direkten Umfeld (Familie, Freund:innen, Mitbewohnende) zu aktivieren.
Ausgehend vom jeweiligen Wissenstand, wurde den Teilnehmenden in den folgenden drei Workshops u.a. Wissen zu Zahlungsmöglichkeiten vermittelt, es wurden Löhne und Sozialabgaben analysiert und für die Folgen von Verschuldung sensibilisiert. Als finales Take-Away wird im letzten Workshop ein Budget erarbeitet, von dem die Teilnehmenden ableiten können, wie viel Geld sie monatlich zur Verfügung haben. Für die Erarbeitung der Inhalte der Workshops hat sich Blindspot mit der gd-Schule Bratsch vernetzt. Die Schule, welche 2016 von Damian Gsponser als Teil eines Entwicklungsprojekt für das von Abwanderung betroffene Bergdorf Bratsch gegründet wurde, vermittelt Kindern und Jugendlichen mit und ohne Beeinträchtigung projektbasiert Wissen und hat einen starken Fokus darauf, Schüler:innen zu befähigen, eigenständig Lösungen für vielfältige Problemstellungen zu entwickeln. Die gd-Schule Bratsch hat uns einige wertvolle Inputs aus ihrem Finanzmodul für unsere Workshopvorbereitung geliefert.
Mit der Durchführung der vier Workshops ist das Thema Geld für Blindspot noch lange nicht abgeschlossen. Die Workshops haben aufgezeigt, dass bei einem Grossteil der Teilnehmenden beträchtliche Lücken zum Thema Geld bestehen. Die alleinige Wissensvermittlung reicht nicht aus – der Umgang mit Geld muss im Alltag geübt werden. Dazu braucht es eine Bereitschaft des direkten Umfeldes aber auch der Gesellschaft, Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung das Recht zuzugestehen, mit Geld selbstbestimmt umzugehen und in diesem Prozess auch Fehler machen und mehrere Anläufe nehmen zu dürfen.